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So sehr Du vermagst
Auch wenn du dein Leben nicht führen
kannst, wie du es willst,
um eins bemühe dich zumindest
so sehr du vermagst: Würdige es nicht
herab in etlicher Gebundenheit an
jedermann, in etlichen Betriebsamkeiten
und Gerede.
Würdige es nicht herab, indem du's
einbringst, ständig umtreibst und es
bloßstellst in Beziehungen und des
Verkehrs alltäglicher Torheit, bis es
dir lästig wird, wie fremd.
Kehr zurück
Kehr oft zurück und nimm mich auf,
geliebte Empfindung, kehr zurück
und nimm mich auf - wenn meines Körpers
Gedächtnis erwacht und alte Gier von
neuem dringt ins Blut, wenn meine Lippen
sich erinnern und die Haut und wenn die
Hände fühlen, als berührten sie noch
einmal.
Kehr oft zurück, und nimm mich auf zur
Nacht, wenn meine Lippen sich erinnern
und die Haut ...
Kerzen
Die zukünftigen Tage stehen vor uns
wie eine Reihe brennender Kerzen -
goldene, heiße Kerzen voller Leben.
Die vergangenen Tage bleiben zurück
eine traurige Reihe erloschener Kerzen;
von den uns nächsten steigt noch Rauch auf,
kalte Kerzen, zerschmolzen und krumm.
Ich will sie nicht betrachten; mich schmerzt
ihr Bild, und der Gedanke schmerzt mich an
ihr früheres Licht.
Nach vorne blick' ich auf meine brennenden
Kerzen.
Ich will mich nicht wenden, damit ich nicht
erschaudernd seh, wie schnell die dunkle
Reihe länger wird, wie schnell die
erloschenen Kerzen sich mehren.
Stimmen
Verklärte, liebste Stimmen derer,
die gestorben oder derer, die für uns
verloren sind gleich den Verstorbenen.
Manchmal sprechen sie zu uns in unsren
Träumen; manchmal, mitten in Gedanken vertieft,
hört sie der Geist.
Und mit ihrem Klang kehren für einen Augenblick
Klänge von unseres Lebens früher Poesie zurück
- wie Musik, des Nachts, die weit entfernt
verebbt.
Mauern
Ohne Rücksicht, ohne Mitleid, ohne Scham
hat man starke, hohe Mauern rund um mich
gebaut. Hier sitz' ich und verzweifle nun.
Nur eins bedenk' ich: dass dies Geschick mir den
Verstand verzehrt;
denn draußen hatt' ich soviel zu vollbringen.
Oh, als man die Mauern baute, warum gab ich
bloß nicht Acht.
Doch hörte ich nie den Lärm von Maurern, keinen
Laut.
Unmerklich hat man mir die Außenwelt versperrt.
Poems
Einige der vertonten Gedichte...
Konstantinos Kavafis, Brichst du auf gen Ithaka... – Sämtliche Gedichte, Griechisch Deutsch, erschienen im: Romiosini-Verlag,
Köln 2009, in der Übertragung von Wolfgang Josing unter Mitarbeit von Doris Gundert und in der Bearbeitung von Alexios Mainas
Begierden
Wie die schönen Körper von Toten, die nicht
alt geworden und unter Tränen in ein hehres
Grabhaus beigesetzt, mit Rosen auf dem
Haupte und zu Füßen Jasmin -
so erscheinen die Begierden, die
vorübergingen, ohne dass sie erfüllt wurden;
ohne dass ihnen je zuteil wurden
eine Nacht der Wollust oder einer ihrer
lichten Morgen.
Wollust
Freude und Duft des eigenen Lebens ist mir
das Gedenken jener Stunden,
in denen ich die Wollust fand und sie hielt,
wie ich sie wünschte.
Freude und Duft des eigenen Lebens mir, der
ich jeden Genuss
der routinierten Lieben ausschlug.
Ithaca
Brichst du auf gen Ithaka,
so wünsch dir eine lange Fahrt,
voller Abenteuer und Erkenntnisse.
Die Lästrygonen und Zyklopen,
den zornigen Poseidon fürchte nicht,
solcherlei wirst du auf deiner Fahrt nie finden,
wenn hochgesinnt dein Denken, wenn edle
Regung deinen Geist und Körper anrührt.
Den Lästrygonen und Zyklopen,
dem wütenden Poseidon wirst du nicht
begegnen,
falls du sie nicht in deiner Seele mit dir trägst,
falls deine Seele sie nicht vor dir aufbaut.
So wünsch dir eine lange Fahrt.
Der Sommer Morgen mögen viele sein,
da du, mit welcher Freude und Zufriedenheit
in nie zuvor erblickte Häfen einfährst;
halt ein bei Handelsplätzen der Phönizier
die schönen Waren zu erwerben,
Perlmutter und Korallen, Bernstein, Ebenholz,
erregende Essenzen aller Art,
so reichlich du vermagst, erregende Essenzen;
besuche viele Städte in Ägypten,
damit du von den Eingeweihten lernst und
wieder lernst.
Stets halte Ithaka im Sinn.
Dort anzukommen ist dir vorbestimmt.
Jedoch beeile deine Reise nicht.
Besser ist, sie dauere viele Jahre;
und alt geworden lege auf der Insel an,
nun reich an dem, was du auf deiner Fahrt
gewannst, und ohne zu erwarten, dass Ithaka
dir Reichtum gäbe.
Ithaka gab dir die schöne Reise.
Du wärest ohne es nicht auf die Fahrt
gegangen.
Nun hat es dir nicht mehr zu geben.
Auch wenn es sich dir ärmlich zeigt, Ithaka
betrog dich nicht.
So weise, wie du wurdest, und in solchem Maß
erfahren, wirst du ohnedies verstanden haben,
was die Ithakas bedeuten.